21. Musik
oder der Liebe innerstes Wort, die Tiefe der Tiefen, die Macht der Mächte, die Kraft der Kräfte, gegeben in Worte der Liebe in einem Hohen Liede.

Es wohnt in den heiligen ewigen Tiefen der Liebe verborgen
Ein nich noch im Grunde von Engeln und Menschen geahneter Morgen.
Ihr nennt es gar thöricht "Musik", was als innerstes Wort sich bekundet!
Was soll denn dieß schaleste Wort, das den grundlosen Thoren nur mundet?
Soll lehren es dich zu begreifen ein Wunder der Tiefe der Liebe?
Willst Großes du fassen, da fasse der Liebe allinnerste Triebe. -

Der Ton ist die lebende Seele des Wortes, selbst Leben und Wesen;
Was wäre ein Wort ohne Ton? Könnt's Gedanken des Herzens dir lösen?
Der Buchstab' ist nur ein verkrüppelter Ton ohne Klang und Bedeutung.
Du kannst mit dem Zeichen wohl schreiben das Wort nach der inneren Leitung,
Doch nimmer die Thiere von ihrem betäubenden Schlafe erwecken;
Denn Solches kann nur der belebende Ton allzeit sicher erzwecken.

Das innerste heilige Wort ist nur Ton ohne züngliche Trübung.
Dieß heilige Wort magst du finden in rohesten Dingen ohn' Uebung
In allen Metallen und festeren Steinen und Wasser und Erden,
In Thieren und Pflanzen, in allen lustigen summenden Herden;
Ich sage dir, horche und lausche mit offenen Herzen und Ohren,
Und du wirst bald merken, daß ohne den Ton wird kein Wesen geboren.

Und so wohnt im Tone auch einer ganz leise nur sumsenden Fliege
Ein Grund, eine Tiefe, du möcht'st sie nicht fassen! Das Kind in der Wiege,
Fürwahr kannst mir glauben, es sagt mit seinem eintönigen Weinen
Unendlichmal höh'res denn Salomo und all' die Weisen und Reinen.
Und so auch ein raschelndes Laub und die sprudelnde muntere Quelle,
Sie birgt in dem plätschernden Tone des Lebens gar heil'ge Juwele!

Nun denke ein wenig im Herzen doch nach und begreife und fühle,
Was alles die Harmonie reiner gebildeter Töne verhülle,
Besonders wenn sie aus den Herzen der Frommen gar reinlich entschweben;
Ich sag' Dir, aus ehernen Saiten entwinden sich zahllose Leben,
In den Oratorien und Symphonien und and'ren Gesängen
Sich Leben an Leben, wie Woge an Woge, gar herrlich durchdrängen.

Möcht'st du wohl den Nutzen harmonisch gebildeter Töne erfahren,
Da frage Dich selbst nach dem Nutzen des Lebens, und Du wirst gewahren
Und finden, daß nichts da wohl wichtiger sei, als ein seliges Leben.
Was außer dem Tone der Liebe kann Solches im Himmel dir geben;
Musik ist die innerste Sprache der Himmel, der seligsten Reinen.
Fürwahr, die da feinden die hehre Musik, die rechne Ich nicht zu den Meinen.

Die Trägen und Feinde, und die sie wählen zu niedrigsten Zwecken,
Die werd' Ich zum inneren Leben des Geistes wohl schwerlich erwecken;
Doch welche die Herrliche achten und lieben in wonniger Freude
Aus Mir und zu Mir, und sie hätten auch Manches auf schuldiger Kreide
Bei Mir - wahrlich! Ich werde sie richten nach ihren empfundenen Tönen.
Daher mögt die Kindlein ihr zeitlich und fleißig an solche gewöhnen! -
[PsG.01_021]