XXI. Psalm. Zu singen dem Herrn in mannigfacher Drangsal.
" Es wogen und stürmen die Zeiten; und Brüder, die rüsten sich unter einander zum blutigen Kampfe.

Die Jungfrau ist treulosen Herzens geworden; nicht lieben, nur siegen will sie, und verachten dann alle die leicht zu besiegenden Herzen in weibisch gewordener männlicher Brust.

Und ist sie unter vielen den männlichen Schwänen doch irgend auf ein echt männliches Herz noch gerathen, das nicht wie ein Schilf sich vom trüglichen Blicke der Schlange im treulosen Herzen der Jungfrau berücken hat lassen;

Da weinet sie bittere Thränen, nicht irgend aus Reue, sondern nur ob des mißlungenen Sieges, und daß ihre Macht sich nicht über all' männliche Herzen arg siegend erstrecket.

O Zeiten, o Menschen und Sitten! Das Weib will mit männlichen Herzen nur spielen.

Der Mann mit dem Weib' sich die sinnliche Zeit nur vertreiben; nur sich mag er lieben im Herzen des Weibes, und wühlen gleich Schweinen in ihrem zart wallenden Fleische.

Der Herrscher ist nicht mehr zur Leitung und Führung der Völker ein leuchtender Bruder den Brüdern; er ist nur ein Herr allen Brüdern, ein völlig allein nur Rechthaber;

Ein stolzer schwertmächtiger Herr ganz allein über Güter und Leben und Tod seiner schmachtenden Brüder.

Der reiche gesetzlich befugte Betrüger von vielen der Brüder genießet Ansehen, Lobpreisung und Ehre, und wird von dem Armen um nichtigen Sold noch auf den Händen getragen;

Der Arme hingegen wird allzeit vom Reichen mit höhnlichst verachtenden Blicken betrachtet, und als ein schmarotzig's Gesinde zur Thüre gewiesen. O heiliger Vater im Himmel, wie lang' wohl wird Solches noch währen?

Wann werden die Berge den Thälern wohl gleichen? Wann werden Kain und Abel sich küssen?

Wann wird wohl die Jungfrau zurückkehren zur einfachen heiligen Würde des Engels in Weibesgestaltung, um hehr zu beglücken das lange schon trauernde männliche Herz?

Und wann werden der Herrscher ruhmsücht'ge Begierden, der eiserne Druck ihrer Brüder, die Ketten der Sklaven und zahllose and're Tormente denn enden?

Wann wird der Thronsitzer ein Bruder den Brüdern doch werden? Wann wird er sie lehren und führen und leiten als so ein Erzengel durch weise Gesetze die Brüder zu Dir, o Du heiliger Vater von allen den Menschen auf Erden?

Und wann wird der Priester ablegen die schmähliche Maske voll ehrsüchtigen Scheines und Truges, und seinen Brüdern verkünden das reine lebendige Wort Deines heiligen Geistes, o Vater im Himmel?!

"So hör' denn du Geist, im lebendig noch pochenden Herzen! Ich will dir aus Meinem vollgöttlichen Munde nun künden die Antwort der Freude, des Trost's und der Wahrheit und Liebe aus allen den Himmeln.

"O sag' Mir, dem Vater der Engel im Himmel und Menschen auf Erden! Wann werden die Kindlein im Hause der Eltern zu zanken und hadern aufhören, so ihnen das Alter und Bildung noch mangelt?

"Du sprichst: So da alt und gebildet und weiser und reiner sie werden im Denken, im Thun und im Wollen und aller der Liebe im Herzen der Seele.

"Ganz richtig und weise gesprochen; doch siehe, so aber die Erde nichts And'res, als eine räumige Stube der Kinder nur ist, wenn im ernsteren Sinne genommen, wie kannst du dann fragen, wann's anders wird werden auf Erden?

"Laß reifer und älter nur werden die Kinder in der stets sich schaukelnden Stube für die Embryonen der Engel; und du wirst die klarste Antwort auf deine wehmüthige Frage im hellesten Lichte erschauen! Die Kindlein der Wiege sind schreiender ja, als die Muntern im Grase des Lebens." -

O heiliger liebvollster Vater, jetzt ist mir ein mächtiges Licht aufgegangen; nur mit solchen Augen betrachtet läßt sich all' das bunte und lose Getriebe der Menschen auf Erden erklärlich betrachten. Darum aber sei Dir, o Vater, all' Ehre und Liebe und Dank ewig! Amen."
[PsG.02_021]