27. Ein Mahnruf.
(Empfangen durch J. L. am 28. Juni 1843.)
Schreibe nur: Ich weiß schon, was du möchtest. Ich soll dir schon wieder einen Gelegenheitsdichter machen, auf daß du dich dadurch bei einem Mädchen, das dir nicht mißfällt, in angenehme Gunst setzen möchtest: aber das bedenkst du dabei nicht, daß Ich Mich dazu durchauf nicht gerne gebrauchen lassen will, besonders wo Ich sehe, daß an Meiner Statt nur die Welt zu gewinnen und so ziemlich stark überhand zu nehmen anfängt!
Ich sehe die Gedanken und Begierden, und die Worte zähle ich alle; aber Ich komme da selten vor, und wenn Ich schon vorkomme, so komme ich so flüchtig vor, wie ein matter Blitz in einer dichtumwölkten Herbstnacht, allda er schon selbst eine große Seltenheit wird.
Fürwahr, wo die Menschen lieber zum Fenster hinaus, da die todte Welt ist, als in sich hinein, da Ich zu Hause bin, im Geiste schauen, da mache Ich nicht gerne einen Gelgenheitsdichter!
Auch bei Menschen, die sich mehr freuen, so sie ausgehen, als wenn sie nach Hause ziehen, die sind Meine Freunde nicht, da Ich stets nur ein zu Hause seiender Patronus bin.
Also gerne gebe Ich dir nicht, was du möchtest; aber so du schon durchaus etwas haben möchtest, so will Ich dir für dein Mädchen gleichwohl einige Verslein geben.
Wird sie dieselben beachten, so wird sie wohl thun, und wird sie das nicht, so wird die Sonne darum ihr Licht nicht einbüßen. Und so schreibe die Verslein:

Nur gar zu leicht erlischt im Weltgewühl
Des jungen Herzens besseres Gefühl; -
Des ew'gen Geistes Ruf wird überhört,
Im Keim des heil'gen Wortes Saat zerstört,
Und wer verbürgt dir denn die künft'ge Zeit,
Die dir allein Ersatz für's Leben beut,
Für's Liebeleben dieser todten Welt,
Das dir so übermenschlich wohl gefällt?!

Und in der Menschheit Nacht, die todt und kalt
Um dieser Erde tollen Schlaf sich breitet,
Am Ufer, das die dunkle Fluth umwallt,
Wankst du erfreut in zierlicher Gestalt,
Von banger eitler Liebenoth geleitet.
Was willst du denn, was sucht dein sehnend Herz?
Willst Mich du finden, wo die Welt sich freuet?
Mich, in der Menschheit tollem Gassenschmerz?!
Oh sieh', du find'st Mich nicht, Ich wohn' im Schmerz,
Allda, wo man ein Irr und Fehl bereuet.

Erschein' Mir Lieb', Ich bin's, der dieses spricht,
Gewahrst Mich schon im Windessausen nicht.
Gewöhnlich, hör' es wahrst, pfleg' Ich wohl nicht
Gar strenge einzugreifen in die Welt,
Noch zu erfüllen Selbst - des Menschen Pflicht,
So lang' er selbst die Kraft dazu behält; -
Jedoch, wo treue Menschen durch Natur
An eig'ner Kraft und Macht gar sehr verarmen,
Da fühlt man allzeit Meiner Hände Spur
Und Meiner Liebe Gnad' und Mein Erbarmen.
Nachwort.
Die Verslein sind gut und sagen, daß an Mir Alles gelegen ist. Wer etwas will, der komme zu Mir, und wolle da Nichts denn Mich, so werde Ich ihm geben, was des Rechtens ist.
Wer aber selbst sucht und hascht, der soll das sein Lebenlang, und es wird sich am Ende ja zeigen, was Alles für tolles Zeug er erhascht hat?
Wer selbst sucht, dem werde Ich nicht finden helfen; nur wer etwas sucht mit Mir, der ist es, der es finden wird.
Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; der es aber flieht, der wird es gewinnen. So eine Jungfrau möchte einen Mann, da muß sie ihn fliehen, und sich verbergen vor ihm, da wird er ihr nacheilen und sie suchen.
Sucht sie aber den Mann, da wird er fliehen vor ihr, und wird sich verbergen, und sie wird in nimmer finden. Das also magst du derjenigen geben, die dich darum gebeten hat.
[PsG.01_027]