26. Das Holzscheibchen an der Spindel.

Wer das Ding gezogen, hätt's nicht klüger können machen,
Dem's gehört, ist's Beste wohl aus allen seinen Sachen,
Kein noch treu'res Menschenbild läßt finden sich und denken,
Keins wie dieß so schaulich kann ein weltlich's Leben lenken.

An des Außenlebens schwacher Spindel bunt sich drehet
Eitles Sinnen, eitles Trachten; Niemand es verstehet.
Niemand weiß, woher und was den Schwung ihm hat gegeben.
Sieh' das Spindelscheibchen, wie es malt ein ähnlich's Leben .

Ganz getreu und klar und wahr kannst du daraus ersehen,
Wie, um was verdummt die Menschen sämmtlich sich nun drehen;
Sieh', so lang' des Drehens Kraft das schwache Spielzeug treibet,
Auch dasselbe wie belebet froh und munter bleibet. -

Doch wenn dann des Drehers Hand sich von der Spindel wendet,
Ist des todten Scheibchen's munt'res Leben auch beendet;
Todtes Scheibchen ist an todter Spindel wohl zu sehen,
Doch in's Leben mag der Tod die Todten nimmer drehen! -

Ja, an ähnlich todter Spindel nun die Menschheit stecket,
In dem tollsten Drehen wähnt sie sich vom Geist erwecket!
Doch nun ist's der letzte Dreher; sieh', da Spielzeug wanket,
Wenig, wenig Lebens nur empor zum Lichte ranket! -

Sieh' das Männervolk, es dreht sich um der Schlange Kinder,
Um die Huren dreht es sich, um diese Lusterfinder,
Ach um's üpp'ge Fleisch sogar die Kinder springen,
Ihre Herzen schon dem Fleische zarte Lieder singen!

Sieh', dein Spielzeug, sieh', - wie treu es dir bezeiget
Diese lose, arge Zeit, und nichts von ihr verschweiget;
Ja an deinen eignen Kindern kannst Du es ersehen,
Um was einzig nur sich ihre fleisch'gen Herzen drehen!

Sieh', nicht Eines mag aus Lieb' zu Mir die Welt verachten,
Zeig' Mir Eins nur, das nach Weltlichem nicht möchte trachten;
Solche Scheibchen an des Wirbels matter Spindel
Drehen sich zahllose nun vereint zu einem Bündel! -

Es ist zwar das Leben selbst ja nur ein ew'ges Drehen,
Ich der Dreher mit der Spindel, All's um mich muß stehen;
Wer mit dieser Spindel ist, dem Scheibchen gleich verbunden,
Der hat freilich wohl das wahre Leben treu gefunden. -

Aber nicht um diese Spindel dreh'n sich auch die Erden,
Sonnen auch und Alle, die aus ihrem Feuer werden;
Sieh', dies Tanzen locket auch den Tod aus seinen Schranken;
Auch an Sonnen kannst ersehen du des Scheibchens Wanken!

Ich bin nicht die Weltenspindel, Solches mußt verstehen,
Eine Schlange ist's, um die sich sieche Erden drehen,
O ihr argen Menschen, ihr seid diese siechen Welten;
Was der Spindel, hört, das soll gar bald euch Allen gelten!

Ich allein bin stark, an Meiner Spindel sollt ihr stecken,
Ich allein kann drehend euch in's ewige Leben wecken;
So ihr aber an der Weltenspindel bleibet kleben,
Wird euch Meine Hand wohl nie zum Lebensdreher heben. -

O du loses Weibervolk, du glatte Brut der Schlangen,
Schwache Weltenspindel, magst vor Mir du nicht erbangen?
Du bist gleich hier dieser schwachen holz'gen Spindelscheibe,
Was die trägt in sich, trägst todt auch du in deinem Leibe.

Nehmt zur Hand, ihr Weiber, diese todte Spindelscheibe,
Macht, daß eure Hand sie wirbelnd um die Spindel treibe,
Seht der muntern zu, und achtet, was aus ihr wird werden,
Hört, dieß Spielzeug zeig' euch eurer Eigenlieb' Geberden;

Männer wollt zu Dutzenden ihr um euch lüstern zählen.
Könnt ihr Solches, o ihr Argen, Meinem Aug' verhehlen?
Seht des todten Scheibchens todte Spindel, euren Spiegel,
Hört, es drückt auf euren Nacken euch des Todes Siegel. -

O, die ihr der Menschheit Werth schon lange habt verkennet,
Und des Mannes heil'ges Haupt gar schnöd' in euch verhöhnet!
Seht das Scheibchen sterbend an der schnöden Spindel wanken,
Euch wird einst allein der edle Mensch den Todt verdanken! -

Wie mögt ihr Mariens Namen euch zu nennen wagen,
Diesen reinsten Namen jetzt in euern Hurentagen!?! -
Diese Lebensspindel einer andern heil'gen Scheibe,
Bleibe ferne stets von eurem unzuchtsvollsten Leibe!

Hört, dieß Scheibchen hier sei euer letzter Lebensbote,
Nehmt ihr All' es hin, als eure weise Lebensnote;
Wahrlich! Eher will Ich euch nicht hören und nicht sehen,
Bis des Mannes höher'n Werth darin ihr werd't erspähen! -

Lasset Mich und so den Mann, als Lebenspindel walten!
Lasses in euch sich ein neues Leben wahr gestalten;
Euch geziemt, als Scheibchen, treu sich um den Mann zu drehen,
Und an ihm des Lebens wahren einz'gen Werth erspähen!

Aber weh' euch, Männer, euch, ihr Unzuchtshunde,
Seht, das Scheibchen zeigt auch euch des Lebens letzte Stunde,
Werd't ihr nicht umkehren und zu Mir nicht bald euch wenden.
Hört, so werd't ihr mit dem Lauf des Scheibchens auch verenden.
[PsG.01_026]