48. Zu des Knechts des Herrn Namenstag.
Am 25. Juli 1842.
So gebe Ich dir denn ein Liedchen an deinem Tage, so der Welt wegen du auch keine Gratulations=Billete bekommst, Ich meine aber, dieses Billet wird länger dauern, denn die der Welt. Dem Offenen aber werde Ich allezeit offen sein, und freigiebig und aufmerksam, dem Zurückhaltenden aber werde auch Ich sein ein sparsamer Geber; daher denke darum nicht nach, so heute Niemand mochte dein Zimmer finden an deinem Tage; dafür aber komme Ich doppelt zu dir, wie für's Ohr, also auch für's Auge; siehe: hier bin Ich! -
Und so schreibe denn nun, in dieser Meiner für dich sichtbaren Gegenwart, dieß Liedchen unter dem Namen:
Des Baumes letztes Blättchen.
An eines Waldes dicht umstrüpptem Saum
Erblickst du einen selt'nen dürren Baum,
Ein Blättchen nur, ganz fahl, denselben ziert;
Doch nicht am Zweig hängt mehr dieß letzte Blatt,
An einer Spinne Faden nur ganz matt,
So lang, bis es ein West der Haft entführt! -
Sieh' an die Welt, wie sehr dem Blatt sie gleicht!
Auch sie da hängt, ganz dürr und leicht,
Am gleichen Faden, an des Lebens Baum.
O sieh'! schon regt sich dort ein rauher West,
Er führt für diese Zierd' das End', den Rest,
Schon schwirrt er um des Waldes dorn'gen Saum!
O Baum, o Baum! du todter Rest am Wald!
Du brüstest dich mit deiner Scheingewalt;
Warum du Thor? Ist nicht der Tod dein Loos?
Ja todt, ganz todt bist du, o Baum, schon lang!
Darum wird's dir vor Meiner Näh' nicht bang,
Nicht angst in deines Grabes finst'rem Schooß!
Das letzte Blatt, ganz los von deiner Haft,
Ziert dich nur noch durch eines Fadens Kraft,
Den da gesponnen hat ein schnödes Thier,
Und du willst prunken noch damit vor Mir
Auf diesem alten Todes=Jagdrevier?
O sieh'! der West ist da mit großer Gier!
Du trillerst schon, du einsam fahles Ding,
Thust wohl daran, von Mir nur einen Wink -
Geschehen ist's, o Baum, um deine Pracht!
Magst ahnen nicht, wer hier nun bei dir steht,
Ja, ja, der West um deine Aest' schon weht,
Nicht merken läßt er dir die große Macht!
Wozu allhier, o West, so große Kraft?
Ein dürres Blatt nur zwischen Zweigen klafft
Verhängt am schwächsten Faden einer Spinne!
Darum kannst wehen du ganz sanft und mild,
Ganz leicht wirst fertig du mit diesem Bild,
Das todt ist ganz und gar, im vollsten Sinne!
O merke, merk' auf dieses Bild, du todte Welt,
Darum dich nur noch mehr dein Wahn beseelt,
Das ist dein Sein in dieser letzten Zeit!
Vernimm den letzten Ruf aus Meinem Mund:
Kehr um zu Mir dich noch in dieser Stund',
Eh' dich ereilen wird die Ewigkeit!
Höre, verstehe, folge! Amen.
So gebe Ich dir denn ein Liedchen an deinem Tage, so der Welt wegen du auch keine Gratulations=Billete bekommst, Ich meine aber, dieses Billet wird länger dauern, denn die der Welt. Dem Offenen aber werde Ich allezeit offen sein, und freigiebig und aufmerksam, dem Zurückhaltenden aber werde auch Ich sein ein sparsamer Geber; daher denke darum nicht nach, so heute Niemand mochte dein Zimmer finden an deinem Tage; dafür aber komme Ich doppelt zu dir, wie für's Ohr, also auch für's Auge; siehe: hier bin Ich! -
Und so schreibe denn nun, in dieser Meiner für dich sichtbaren Gegenwart, dieß Liedchen unter dem Namen:
Des Baumes letztes Blättchen.
An eines Waldes dicht umstrüpptem Saum
Erblickst du einen selt'nen dürren Baum,
Ein Blättchen nur, ganz fahl, denselben ziert;
Doch nicht am Zweig hängt mehr dieß letzte Blatt,
An einer Spinne Faden nur ganz matt,
So lang, bis es ein West der Haft entführt! -
Sieh' an die Welt, wie sehr dem Blatt sie gleicht!
Auch sie da hängt, ganz dürr und leicht,
Am gleichen Faden, an des Lebens Baum.
O sieh'! schon regt sich dort ein rauher West,
Er führt für diese Zierd' das End', den Rest,
Schon schwirrt er um des Waldes dorn'gen Saum!
O Baum, o Baum! du todter Rest am Wald!
Du brüstest dich mit deiner Scheingewalt;
Warum du Thor? Ist nicht der Tod dein Loos?
Ja todt, ganz todt bist du, o Baum, schon lang!
Darum wird's dir vor Meiner Näh' nicht bang,
Nicht angst in deines Grabes finst'rem Schooß!
Das letzte Blatt, ganz los von deiner Haft,
Ziert dich nur noch durch eines Fadens Kraft,
Den da gesponnen hat ein schnödes Thier,
Und du willst prunken noch damit vor Mir
Auf diesem alten Todes=Jagdrevier?
O sieh'! der West ist da mit großer Gier!
Du trillerst schon, du einsam fahles Ding,
Thust wohl daran, von Mir nur einen Wink -
Geschehen ist's, o Baum, um deine Pracht!
Magst ahnen nicht, wer hier nun bei dir steht,
Ja, ja, der West um deine Aest' schon weht,
Nicht merken läßt er dir die große Macht!
Wozu allhier, o West, so große Kraft?
Ein dürres Blatt nur zwischen Zweigen klafft
Verhängt am schwächsten Faden einer Spinne!
Darum kannst wehen du ganz sanft und mild,
Ganz leicht wirst fertig du mit diesem Bild,
Das todt ist ganz und gar, im vollsten Sinne!
O merke, merk' auf dieses Bild, du todte Welt,
Darum dich nur noch mehr dein Wahn beseelt,
Das ist dein Sein in dieser letzten Zeit!
Vernimm den letzten Ruf aus Meinem Mund:
Kehr um zu Mir dich noch in dieser Stund',
Eh' dich ereilen wird die Ewigkeit!
Höre, verstehe, folge! Amen.
[PsG.01_048]